Niere und Diabetes mellitus: SGLT-2-Hemmung als neuer Meilenstein in Diabetologie und Nephrologie?

Die EMPA-REG-OUTCOME-Studie ist eine groß angelegte kardiovaskuläre Sicherheitsstudie des SGLT-2-Hemmers Empagliflozin, in der primär die Effektivität von zwei Dosierungen dieser Substanz, 10 mg und 25 mg pro Tag, auf die kardiovaskuläre Eventrate untersucht wurde.

Der primäre Endpunkt ist eine Kombination (3-Punkt MACE) aus Tod aus kardiovaskulärer Ursache, nicht-tödlichem Myokardinfarkt oder Schlaganfall. Untersucht wurden in 42 Ländern über 7.200 Patienten mit Typ-2-Diabetes unter Standardtherapie über einen medianen Beobachtungszeitraum von 3,1 Jahren.

Empagliflozin hat dabei mehr als ein Drittel aller kardiovaskulären Tode verhindert (3,7% vs. 5,9%, HR 0,62), darüber hinaus konnte Empagliflozin die Gesamtmortalität um beachtliche 32% reduzieren (HR 0,68). So mussten 39 Pati- enten über 3 Jahre behandelt werden, um einen kardiovaskulären Tod zu verhindern, das absolute Risiko betrug 12.1 versus 10.5% bei den behandelten Patienten.

Hervorzuheben ist vor allem der Effekt von Empagliflozin auf die Herzinsuffizienz: Obgleich dies kein Bestandteil des primären Endpunktes war, kam es bei den Empagliflozin-behandelten Diabetikern deutlich seltener zu Hospitali-sierungen aufgrund von Herzinsuffizienz (2,7% vs 4,1%, HR 0.65). Der Einfluss auf diese Komorbidität ist deshalb sehr wichtig, da es bei neueren Antidiabetika entweder nur eine Effizienzneutralität gab oder es sogar zu vermehrten Komplikationen aufgrund von Herzinsuffizienz kam (Scirica BM; N Engl J Med 2013; 369:1317; White WB; N Engl J Med 2013; 369:1327).

Zwar nicht statistisch signifikant, aber numerisch erhöht waren Schlaganfälle bei Empagliflozin-behandelten Diabe-tikern, was insofern erstaunlich ist, da insgesamt der arterielle Blutdruck in dieser Gruppe signifikant gesunken ist (HR 1,18). Die Rate an instabiler Angina pectoris sowie Myokardinfarkten wurde durch Empagliflozin kaum reduziert und dies insbesondere angesichts der klinischen Überlegenheit des SGLT-2-Hemmers in Hinblick auf den 3-Punkt-MACE. Damit kann insgesamt gemutmaßt werden, dass Empagliflozin vielleicht subklinische Formen des Herzversagens beeinflusst, nicht aber thromboembolische Komplikationen verhindert.

Ein individueller Unterschied zwischen der 10 mg- und 25 mg-Dosis von Empagliflozin auf klinische Endpunkte konnte nicht festgestellt werden, die höhere Dosis scheint auch keine wesentlich erhöhte Effizienz hinsichtlich des anti- diabetischen Effekts zu besitzen. Interessanterweise war die Rate an Nebenwirkungen zwischen Placebo und Empagliflozin, insbesondere Hypoglykämien, aber auch z. B. Hyponatriämien oder akutes Nierenversagen, kaum unterschiedlich, lediglich die Rate an urogenitalen Infektionen war in den gepoolten Empagliflozinarmen erhöht. Die bei SGLT-2-Hemmern mitunter beobachteten schweren Azidosen wurden auch in dieser Untersuchung nicht vermehrt beobachtet, was vielleicht daran liegen könnte, dass die Patienten bereits vor Studienbeginn eine adäquate antidiabetische Therapie erhielten.

Die EMPA-REG-Studie ist in vieler Hinsicht bemerkenswert. Bislang handelt es sich nämlich um die allererste klinische Studie mit einem antidiabetischem Medikament, welche eine klare Überlegenheit hinsichtlich kardiovaskulärer Ereig- nisse gezeigt hat, insbesondere bei Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko, während alle bisherigen Studien zu antidiabetischen Medikamenten bestenfalls eine Wirkungs-Neutralität gezeigt haben, wie dies zuletzt etwa für Sitagliptin oder Lixisenatide demonstriert wurde.

Die untersuchten Patienten waren kardiovaskuläre Hochrisikopatienten, die weitgehend optimal mit blutdruck- und lipidsenkender Therapie behandelt worden sind: Über 77% der Patienten hatten unter anderem eine Statintherapie, 9% Fibrate und über 94% irgendeine Form von antihypertensiver Therapie.

Zudem war der antidiabetische Effekt selbst nicht stark ausgeprägt, der HbA1c sank in den Behandlungsarmen nach 3 und 12 Monaten denn auch nur um ca. 0,5%. Damit scheint es sehr naheliegend zu sein, dass der Blutzucker-senkende Effekt nicht ausschlaggebend sein konnte für die dramatischen Effekte. Weiters wurde durch SGLT-2-Hemmung der mittlere Blutdruck um ca. 4 mmHg reduziert, das Körpergewicht sank im Mittel um ca. 2 kg nach über 108 Wochen Studiendauer.

Die genauen Mechanismen der deutlichen Risikosenkung sind letztlich unklar, aber sie dürften nicht nur in der Senkung von Blutzucker, Blutdruck und/oder Körpergewicht liegen, da vor allem die kardiovaskulären Effekte schon sehr früh zu verzeichnen waren. Klassische anti-atherosklerotische Therapieformen benötigen meist mehr als ein bis zwei Jahre, um signifikante klinische Effekte zu zeigen, d. h., die positiven Effekte von Empagliflozin dürften auch nicht primär anti-atherosklerotischer Natur sein.

Die günstigen Effekte hinsichtlich des kardiovaskulären wie auch des Mortalitätsrisikos in der EMPA-REG-Studie wurden schon nach drei Monaten evident, während aber typische atherosklerotische Events wie non-fataler Myokard-infarkt oder Schlaganfall durch Empagliflozin nicht signifikant beeinflusst worden sind. Insbesondere die Beeinflussung der Herzinsuffizienz könnte ein Schlüssel der Mortalitätsreduktion sein, wobei hier postuliert werden könnte, dass neben den nur ca. 10% manifesten Patienten mit Herzinsuffizienz vielleicht auch ein hohes Maß subklinischer Herz- insuffzienzpatienten oder gar solchen mit diastolischer Herzinsuffizienz, deren Prävalenz ja bei Diabetikern besonders hoch ist, von einer Therapie mit Empagliflozin profitiert haben könnten.

Da CKD-Patienten mit Fortschreiten ihrer Niereninsuffizienz auch eine sehr hohe Inzidenz an diastolischer Herz- insuffizienz aufweisen, könnte besonders in diesem Kollektiv Empagliflozin einen großen therapeutischen Vorteil haben.

Da zu den Endpunkten der EMPA-REG-Studie bislang keine Studien anderer SGLT-2-Hemmer vorliegen, können keinerlei Extrapolationen auf die anderen derzeit verfügbaren SGLT-2-Hemmer wie Dapagliflozin oder Canagliflozin und deren Effekte auf harte klinische Endpunkte gezogen werden. Die CANVAS-Studie (Canagliflozin Cardiovascular Assessment Study) untersucht derzeit 4.000 Typ-2-Diabetiker auf 100 mg oder 300 mg Canagliflozin pro Tag und die DECLARE-TIMI-58-Studie untersucht 10 mg Dapagliflozin pro Tag versus Plazebo bei über 17.000 Typ-2-Diabetikern.

In 2 bis 3 Jahren sollten die ersten Daten verfügbar sein, um von einem Subs­tanzklasseneffekt sprechen zu können oder nicht. Weiters ist es klar, dass bei allem Enthusiasmus über die eindrucksvollen Resultate dieser Studie noch keine Langzeitdaten zur SGLT-2-Hemmung bei diabetischen Patienten hinsichtlich Sicherheit und Effizienz vorliegen.

Im Rahmen der Renal Week der American Society of Nephrology (ASN) letzten November wurden von Prof. C. Wanner die ersten Daten aus der niereninsuffizienten Population der EMPA-REG-Studienteilnehmer präsentiert. Von den 7.200 Studienteilnehmern hatten etwa 1.800 Patienten eine eGFR < 45 ml/min, weiters wiesen sogar 750 eine Makro- albuminurie auf und über 80% der Studienteilnehmer hatten einen Renin-Angiotensin-System-Blocker.

Patienten mit einer eGFR < 60 ml/min wiesen dabei eine deutliche Reduktion im gemeinsamen renalen Endpunkt auf (Serum-Kreatininverdopplung, terminales Nierenversagen [ESRD] oder renale Todesursache [HR 0,54]). Weiters war im Beobachtungszeit­raum eine neu aufgetretene Nephropathie in der Empagliflozin-Gruppe inkl. Fortschreiten zur Makroalbuminurie signifikant reduziert (HR 0,61).

Darüber hinaus war die Reduktion des primären Studienendpunktes in der Behandlungsgruppe der niereninsuffizienten Patienten nicht abgeschwächt (MACE HR 0,88, kardiovaskulärer Tod HR 0,78, Herzinsuffizienz HR 0,59, Gesamt- mortalität HR 0,80). Die Publikation der renalen Daten der EMPA-Reg wird natürlich mit äußerster Spannung erwartet.

Die Effekte einer SGLT-2-Hemmung auf renale Endpunkte werden nun auch in der CREDENCE-Studie untersucht (Evaluation of the Effects of Canagliflozin on Renal and Cardiovas­cular Outcomes in Participants With Diabetic Nephropathy), die insgesamt über 3.700 Patienten inkludiert, sowie auch in der CANVAS-R-Studie (Study of the Effects of Canagliflozin on Renal Endpoints in Adult Participants With Type 2 Diabetes Mellitus), die sogar über 6.000 Patienten analysieren wird.

Hinsichtlich einer möglichen nephroprotektiven Potenz konnte experimentell sehr elegant gezeigt werden, dass eine SGLT-2-Hemmung den tubuloglomerulären Feedbackmechanismus direkt stimuliert, womit eine glomeruläre Hyper-filtration im Rahmen einer diabetischen Nierenerkrankung reduziert oder sogar normalisiert werden kann (Gnudi L; Nephrol Dial Transplant 2015; pii:gfv093).

Da durch eine glomeruläre Hyperfiltration der NaCl-Gehalt in distalen Tubulusabschnitten steigt, wird der juxta-glomeruläre Apparat über die Macula Densa aktiviert und führt im Sinne des tubuloglomerulären Feedbacks durch Beeinflussung des glomerulären Vas afferens über Adenosin-Signaling in den juxtaglomerulären Zellen zu einer Reduktion der glomerulären Filtrationsrate und damit zu einem geringeren tubulären Harnfluss und damit wieder zu einer balancierten Ionen-Reabsorption.

Fasst man die bisherigen experimentellen Arbeiten zur SGLT-2-Hemmung zusammen, so scheint im Einklang mit dem Wirkprinzip dieser Substanzklasse eine Erhöhung der Sensitivität des tubuloglomerulären Feedbacks durch SGLT-2-Hemmung und damit eine Modifikation der GFR, welche ja auch klinisch zu beobachten ist, zu erfolgen.

Da die glomeruläre Hyperfiltration ein klar schädlicher Faktor im Rahmen der Krankheitsentstehung einer diabetischen Nierenerkrankung ist, so folgt, dass die Modulation des tubuloglomerulären Feedbacks durch SGLT-2-Hemmung eine sinnvolle und potente therapeutische Maßnahme darstellen könnte, welche vermutlich auch entscheidend für die bisherigen Beobachtungen eines Therapiebenefits ist, wie eine deutliche Reduktion von glomerulärer Hypertrophie, mesangia­ler extrazellulärer Matrixvermehrung sowie vermutlich auch der Albumin­urie (Gembardt F; Am J Physiol Renal Physiol 2014; 307:F3175; Kojima N; J Pharmacol Exp Ther 2013; 345:464). So konnten Cherney et al. bei Typ-1-Diabetikern zumindest über einen kurzen Zeitraum zeigen, dass die Behandlung mit Empagliflozin eine glomeruläre Hyperfiltration reduzieren kann (Cherney DZ; Circulation 2014; 129:587).

Nicht zuletzt sollte aber betont werden, dass eine Änderung des tubuloglomerulären Feedbacks auch zu einer Änderung des glomerulären Drucks führt, was ja auch das zentrale Prinzip der nephroprotektiven Maßnahme einer RAS-Blockade darstellt. Tatsächlich war der Großteil der EMPA-REG-Patienten (> 80%) zusätzlich mit irgendeiner Form der RAS-Blockade therapiert.

Da die Hemmung von ACE neben einer Blockade der Ang II-Bildung auch zu einer Steigerung von Komponenten des sogenannten „alternativen“ RAS führt, welches nicht nur das klassische RAS mit Ang II hemmt, sondern selbst mit ACE2 und Ang 1-7 über spezifische Rezeptoren wie etwa dem MAS-Rezeptor selbst antifibrotisch, anti-inflammatorisch und – zumindest experimentell – nephroprotektiv wirkt, erscheint die Hypothese äußerst attraktiv, dass eine Kombi- nation von ACE- und SGLT-2-Hemmung eine drastische Förderung des alternativen und also nephroprotektiven RAS bewirkt.

Erste Arbeiten scheinen dieses Konzept zu unterstützen; so konnten Kojima et al. in einem speziellen diabetischen Nephropathiemodell zeigen, dass die alleinige Gabe des SGLT-2-Hemmers Luseogliflozin zwar morphologische Verän-derungen wie glomeruläre und tubuläre Schäden günstig beeinflusst, aber im Gegensatz zu Lisinopril die Proteinurie nicht beeinflusst; erst die Kombination von ACE- und SGLT-2-Hemmung vermag sämtliche untersuchten renalen Schäden potent synergistisch zu beeinflussen, was sich im weiteren Verlauf einer CKD-Progression positiv auswirken könnte (Kojima N; Physiol Rep 2015; 3:pii e12436).

Ob diese interessanten Beobachtungen alleine auf der Kombination eines besonders günstigen antidiabetischen sowie antihypertensiven Effekts beruhen oder eher auf anderen selektiven nephroprotektiven Mechanismen wie etwa auf einer wirksamen Deregulation des RAS, ist derzeit unklar.

Da in den bisherigen v. a. experimentellen Studien die SGLT-2-Hemmung hinsichtlich renaler Schädigungsparameter eindeutig besser abschnitt als etwa Insulin, scheint wohl eher ein selektiver nephroprotektiver Mechanismus als ein simpler antidiabetischer Effekt vorzuliegen. In naher Zukunft sind weitere klinische Studien an Patienten mit Diabetes und CKD, die auch an unserem Zentrum erfolgen, notwendig, um diese Ideen weiter zu verfolgen.

Die EMPA-REG-OUTCOME-Studie ist sicher schon jetzt ein Meilenstein in der Behandlung diabetischer Patienten, gegenwärtig wird international intensiv diskutiert, welchen Stellenwert Empagliflozin in der Therapie Typ-2-diabe-tischer Patienten einnehmen sollte, da man vermutlich eine Therapie, welche auch die Mortalität signifikant reduziert, schwerlich Patienten erst im späteren Verlauf ihrer Erkrankung anbieten kann. Im Kontext niereninsuffizienter Patienten werden wir zudem in der Nephrologie in den kommenden Jahren bezüglich SGLT-2-Hemmung noch viel lernen und klinisch in Erfahrung bringen müssen, man denke etwa nur an die möglichen Effekte von SGLT-2-Hemmern auf den Natriumhaushalt im Rahmen einer mehrfachen Diuretikatherapie oder den Einsatz von SGLT-2-Hemmern gemeinsam mit RAS-Blockern bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz.

Die Verfasser dieses Artikels sind der Überzeugung, dass in naher Zukunft mit SGLT-2-Hemmern sowohl berechtigte Hoffnungen auf eine hocheffiziente Therapie für Patienten mit Dia­betes mellitus und chronischer Niereninsuffizienz möglich sind, welche neue Maßstäbe in der nephrologischen Therapie setzen werden, wie auch neue Einsichten in die zentralen pathophysiologischen Zusammenhänge zu Tage gefördert werden, welche entscheidend für das Schicksal chronisch niereninsuffizienter Patienten sind.

Prim. Prof. Dr. Marcus Säemann
Medizinische Univ.-Klinik III
Klin. Abt. für Nephrologie und Dialyse, Wien
marcus.saemann@meduniwien.ac.at

Prof. Dr. Sabine Schmaldienst

Sozialmedizinisches Zentrum Süd
Kaiser-Franz-Josef-Spital
sabine.schmaldienst@meduniwien.ac.at